Aber kommen wir zurück zu den Lebenshaltungskosten. Besonders wer plant eine Familie zu gründen, sollte besser über ein Vermögen verfügen, denn dessen Versorgung wird gewiss eines kosten. Es folgt wieder ein Auszug aus einem meiner Kapitel:
In der Bundesrepublik ist Kinderbetreuung Ländersache, für meinen Vergleich ziehe ich die Regelungen in Hamburg heran. Dort ist mein deutscher Freundeskreis verwurzelt, so dass ich neben blanken Zahlen auf praktische Erfahrungen zurückgreifen kann.
In der Hansestadt haben Kinder ab 12 Monaten Anspruch auf einen Kita-Platz. Die ersten 30 Stunden Betreuung in einer Woche sind kostenlos (also durch Steuergelder finanziert). Der Elternbeitrag für zusätzliche Stunden hängt davon ab, ob beide Eltern arbeiten oder nicht, und wie viel sie verdienen. Arbeiten sie jeweils voll und benötigen 50 Stunden Betreuung in der Woche, kostet dies zwischen 16 und 204 Euro im Monat (Stand Anfang 2022).
Der Maximalbetrag wird ab einem gemeinsamen Nettoeinkommen von 2.863 Euro fällig. Er entspricht dem Kindergeld zur Zeit der Gebührenfestlegung 2019. Sind mehrere Kinder in der Kita, reduziert sich der Betrag für das zweite Kind auf ein Drittel (Minimum der Mindestsatz), ab dem dritten wird nur der Mindestsatz gezahlt.
In meinem Hamburger Freundeskreis hat tatsächlich niemand mehr für die Betreuung in der Kita als die entsprechenden Höchstsätze gezahlt. In anderen Städten mussten Freunde für private Kitas zwischen 700 und 900 Euro im Monat zahlen. Doch in Deutschland kann man die Betreuungskosten von der Steuer absetzen und erhält so einen Teil zurück. Zwei Drittel der Kosten können geltend gemacht werden, maximal 4.000 Euro pro Jahr.
Bei der Förderung von nursery-Plätzen ist das britische System ausnahmsweise komplizierter als das deutsche. So hängt der Elternbeitrag nicht nur von einer Förderung der öffentlichen Hand sowie den Einkommen und Arbeitsverhältnissen der Eltern ab, auch das Alter der Kinder spielt eine Rolle.
Eine eventuelle öffentliche Förderung erfolgt durch die lokalen Behörden. Die folgenden Beiträge beziehen sich auf eine Ganztagsbetreuung in Islington mit 50 Stunden die Woche, Stand Anfang 2022. Der günstigste Beitrag gilt bis zu einem Jahreseinkommen von 24.999 GBP (brutto), der höchste ab einem gemeinsamen Jahreseinkommen von 120.000 GBP.
Die Beiträge für Kinder im Alter von 0-2 Jahren bewegen sich zwischen 203 und 433 GBP, pro Woche! Im Monat sind das ca. 880 bis 1.880 GBP, im Jahr 10.180 und 21.680 GBP[1]. Und ja, das sind die Gebühren der geförderten Einrichtungen.
Von der Steuer kann man die nursery-Kosten nicht absetzen. Allerdings gibt es eine staatliche Unterstützung durch den tax free childcare scheme. Pro 8 Pfund, die man an Betreuungskosten zahlt, schießt der Staat 2 GBP hinzu, maximal 2.000 GBP im Jahr, falls nicht ein Elternteil(!) mehr als 100.000 GBP im Jahr verdient.
Für 2 bis 3- und 3 bis 4-Jährige reduzieren sich die Gebühren etwas und den Eltern stehen 15 bzw. 30 kostenlose Betreuungsstunden pro Woche zu, je nachdem ob ein oder beide Elternteile voll arbeiten. Allerdings gibt es die Freistunden nur in 38 oder 39 Wochen des Jahres, solange auch die Schulen geöffnet sind. Und wieder gilt, verdient ein Elternteil mehr als 100.000 Pfund im Jahr, entfällt die staatliche Hilfe. Unter Ausnutzung aller Vergünstigungen bewegen sich die Beiträge für 3 bis 4-jährige Kinder, zwischen 3.900 und 7.700 GBP im Jahr.
Besuchen mehrere Kinder eine nursery, gibt es Rabatte, allerdings bescheidenere als in Deutschland. Für das zweite Kind fallen 75 Prozent der vollen Gebühren an, für das dritte 65 Prozent, und das vierte 55 Prozent.
Wie dargelegt, sind dies die Beiträge und Bedingungen der öffentlich geförderten Einrichtungen. Bei einer privaten Montessori nursery in unserer Nachbarschaft wurden für die Betreuung von Kindern unter zwei Jahren 2.350 GBP im Monat fällig. In Hamburg sind es beim gleichen Träger, genau, maximal 204 Euro.
Als ich schaute wie viel, wir für Kinderbetreuung ausgeben müssten, legte sich eine bleierne Schwere auf meine Brust. Die Kosten hingen von vielen Faktoren ab, aber mit einem Jahresgehalt von 35.000 GBP und dem typischen Gehalt einer Allgemeinmedizinerin, würde auf jeden Fall der Höchstsatz fällig. Mit zwei Kindern im Alter von eins und drei Jahren, eine Konstellation, die mir als Deutscher nicht unwahrscheinlich vorkam, belief sich der Jahresbeitrag auf knapp 22.000 GBP, unter Ausnutzung aller Einsparmöglichkeiten!
In Hamburg kämen 3.264 Euro an Kitabeiträgen zusammen. Doch alleine an Kindergeld stünden uns 4.016 Euro im Jahr zu, mindestens. Kurz gesagt, wir hätten sogar noch Geld für weitere Ausgaben übrig.
Die Kosten für nurseries sind in England wie die Immobilienpreise abhängig von der Region. Die mittleren Beiträge für 3-4-Jährige liegen in Islington knapp 43 Prozent über dem englischen Mittel. Deutsche Verhältnisse werden aber nirgendwo im Land erreicht.
Oder? Nach meiner Recherche war ich skeptisch. Egal, mit welchen Sätzen und Vergünstigungen ich rechnete, die Betreuung der Kinder kostete Summen, die durch die entsprechenden Einkommen kaum gedeckt wurden. Vor allem, wenn ich die hohen Ausgaben für die eigenen vier Wände einbezog. Hatte ich etwas übersehen? Ich fragte in unserem Freundeskreis nach, welche Beiträge sie zahlen mussten, und wie sie diese finanzierten.
Bezeichnenderweise hatten unsere Londoner Freunde zum Zeitpunkt meiner Erhebung keine Kinder, jene mit Nachwuchs wohnten außerhalb. Bei ihnen bewegten sich die Betreuungskosten zwischen 800 und 1.200 Pfund pro Kind und Monat. Größere Ausschläge nach oben gab es nicht, denn unsere Freunde sparten kreativ. Wo es ging, reduzierten sie die Besuchszeit, etwa indem die Großeltern in die Betreuung miteingebunden wurden. Gerne mitten am Tag, um die Kosten für das Mittagsessen zu sparen. Ja, das wird oft extra berechnet, bzw. die Stundenpreise sind in der Zeit höher.
Gibt es sonst noch Möglichkeiten die Betreuungskosten zu reduzieren? Wenn man Glück hat, betreibt der eigene Arbeitgeber eine Krippe/Kindergarten oder kooperiert mit einer solchen. Oder man vertraut seine Kleinen einer Tagesmutter an und spart 10-20 Prozent gegenüber den nursery Gebühren. (Falls man eine findet). Eine nanny wäre wesentlich teurer, außer man hat das Glück/Pech einer Mehrlingsgeburt. Gemessen an den reinen Betreuungskosten, wäre die günstigste Lösung wohl ein Au-Pair. Nur der/die müsste noch irgendwo untergebracht werden. Für den Durchschnittsbürger scheidet die Möglichkeit aus.
Bleiben zwei Optionen: Ein Elternteil arbeitet bis zur Einschulung nicht. Oder man reduziert die Kosten, indem man weniger Kinder mit mehr zeitlichem Abstand bekommt.
Vor allem von letzterem wird in unserem englischen Freundeskreis Gebrauch gemacht. Dort waren bei meiner Umfrage alle um die 33 Jahre alt. Pro Freund gab es 0,15 Kinder. Im deutschen Freundeskreis waren es im gleichen Alter schon 0,9 und vier Jahre später 1,6 Kinder. Dabei sind viele unserer deutschen Freunde wie ich Physiker, d.h. der Anteil an ewigen Junggesellen ist besonders groß.
Im Grunde haben unsere deutschen Freunde in den letzten Jahren ein Kind nach dem andern in die Welt gesetzt. Einige Freunde in England haben einen ähnlich starken Kinderwunsch, aber ihnen sind die Hände gebunden. Bevor an Kind Nummer zwei gedacht werden kann, muss Kind Nummer eins in die Schule wechseln und eine neue Geldreserve für die nursery aufgebaut werden.
Oder sie warten, weil sie in den nächsten Jahren eine Immobilie kaufen wollen. Banken sehen junge Kinder nicht ohne Grund als finanzielle Belastung und bieten bei Vorhandensein schlechtere Kreditbedingungen an. In Deutschland machen Kinder einen Hauskauf oft erst nötig, in Großbritannien erschweren sie ihn.
Zu lange sollte das Kinderkriegen aber verschoben werden. Wie die Immobilienpreise kennt die Entwicklung der nursery-Kosten nur eine Richtung, und zwar steil nach oben. In den letzten 15 Jahren um knapp 50 Prozent.
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[1] Berücksichtigt sind 2 Wochen in denen die Nurseries geschlossen sind und in denen man keine Gebühren zahlt.
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