Den Weg Indiens in die Unabhängigkeit kann man als Blaupause für die weitere Dekolonialisierung des Empires sehen. Eine teilweise liberale Politik führte in den Kolonien zu einer einheimischen Führungsschicht. Geprägt von westlichen Ideen, strebten sie für ihre Nationen die Unabhängigkeit an, während die alte Kolonialmacht zunächst an relativer Macht verlor, bevor sie durch den zweiten Weltkrieg entscheidend geschwächt wurde. In dieser Gemengelage versuchte Großbritannien, seine Kolonien schnell und friedlich zu demokratischen Staaten zu formen.
Jene in Südost-Asien erlangten Ende der 1940er ihre Unabhängigkeit. Die Besitzungen in Afrika folgten in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, die in der Karibik bis Anfang der 1980er Jahre, wenn sie denn wollten.
Mit der Unabhängigkeitswelle begruben die Briten jedoch nicht ihre imperialen Bestrebungen. Nach einer ersten Phase des Empire mit einem Schwerpunkt in Nordamerika und einer zweiten mit Schwerpunkt in Indien, sollte eine dritte Phase folgen, in der sie sich territorial auf kleine Stützpunkte beschränken und das Weltgeschehen über das British Commonwealth of Nations beeinflussen wollten.
Das Commonwealth, wurde nach dem ersten Weltkrieg schrittweise mit den Dominions geschaffen. Die waren nun ganz offiziell eigene Staaten, aber mit dem Mutterland über den Treueschwur gegenüber der britischen Krone, einer gemeinsamen Kultur und gleichen Interessen miteinander verbunden.
Mit dem Beitritt weiterer ehemaliger Kolonien hofften die Briten den ökonomischen Raum des Empire zu erhalten und ein militärisches Bündnis zu schmieden. Die Führungsrolle, moralisch, militärisch und ökonomisch, sollte selbstverständlich dem Vereinigten Königreich zufallen.
Doch die neuen Staaten traten selbstbewusst für ihre eignen Interessen ein, und es wurde schnell klar, dass sich die britische Hoffnung auf ein drittes Empire unter ihrer Führung nicht erfüllen würde. Indien und Pakistan erklärten sich zwar bereit, dem Commonwealth beizutreten, allerdings als Republiken, ohne Anerkennung der britischen Krone. Außerdem bestanden sie darauf, den Staatenbund umzubenennen. Das British musste gestrichen werden. Und die einzelnen Nationen sollten nicht mehr als Dominion bezeichnet werden, sondern als (fully independent) Commonwealth Country.
Innerhalb des Staatenbundes wurden Entscheidungen demokratisch getroffen. Auf Befindlichkeiten der einstigen Herren nahmen die Mitglieder nur bedingt Rücksicht. Nach der Aufnahme der afrikanischen Staaten, waren die „weißen“ Länder in der Minderheit. Die neuen Mitglieder setzten sich gegen jede Form von Apartheit ein. Eine Politik, die vor allem gegen Südafrika gerichtet war. Um einem Rausschmiss zuvorzukommen, erklärte sich das Land ganz im Süden des Kontinents zur Republik und trat 1961 aus dem Staatenbund aus.
Auch in den nächsten Jahrzehnten setzte sich die Mehrheit der Commonwealth-Mitglieder für eine harte Politik gegenüber Südafrika ein. Oft war Großbritannien der einzige Staat, der gegen entsprechende Resolutionen und Sanktionen des Bundes stimmte. (Nach Ende der Apartheit 1994 trat Südafrika dem Commonwealth wieder bei.)
Die Hoffnung auf eine starke Bindung zwischen den Mitgliedsstaaten untergrub das Vereinigte Königreich nicht nur mit seiner Haltung zur Apartheit in Südafrika. Zur Förderung des Zusammenhaltes wurde den Bürgern des Commonwealth eine gewisse Freizügigkeit zugestanden: die Einreise in das Mutterland, und damit die Einwanderung, war ohne große bürokratische Hürden möglich. In den 1950er-Jahren schossen die Einwandererzahlen in die Höhe. Die neuen Bürger stammten vor allem aus der Karibik, Indien und Pakistan, und waren nicht überall willkommen. Es folgten soziale Unruhen. Die Freizügigkeit musste eingeschränkt werden. Ab 1962 benötigten Commonwealth-Bürger etwa eine Arbeitserlaubnis zur Einwanderung.
Großbritanniens militärischer Führungsanspruch und das Image als moralisch überlegene Nation erlitten mit der Suezkrise im Jahr 1956 einen herben Schlag. Anlass war die Verstaatlichung der britisch-französischen Suez-Kanal-Gesellschaft durch Ägypten. Der Kanal war für das Vereinigte Königreich von enormer strategischer Bedeutung, unter anderem wurde man über diesen mit persischem Erdöl versorgt. Um die Kontrolle zurückzugewinnen, griffen die beiden alten Kolonialmächte Ägypten mit Unterstützung Israels an. Der Krieg begann am 29.Oktober.
Anders als die konservative Regierung Großbritanniens angenommen hatte, wurde die Aktion nicht von den USA gedeckt. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Sowjetunion unternahmen ihr Möglichstes, um die Kampfhandlungen zu beenden, und setzten sich so an die Spitze der weltweiten Empörung.
Sie brachten Resolutionsentwürfe in den UN-Sicherheitsrat ein, eine Notfallsitzung der Generalversammlung erklärte das Vorgehen der Aggressoren als völkerrechtswidrig, die USA strichen Israel und Großbritannien die Entwicklungshilfe und drohten den Kurs des britischen Pfunds abstürzen zu lassen. Die Sowjetunion drohte gar mit einem militärischen Einschreiten.
Die Aggressoren sahen sich gezwungen, einzulenken. Am 6. November wurden die Kampfhandlungen eingestellt und ein Waffenstillstand unterzeichnet. Im Dezember desselben Jahres zogen Briten und Franzosen ihre Streitkräfte ab, die letzten israelischen Truppen verließen 1957 ägyptisches Territorium.
Neben der moralischen Schmach zeigte der Konflikt, wie sehr sich die Verhältnisse 100 Jahre nach den Opium-Kriegen geändert hatten. Großbritannien konnte nicht mehr ohne Konsequenzen eigene Interessen durchdrücken. Das amoralische Verhalten wurde von der Weltöffentlichkeit verurteilt. Noch schlimmer: Großbritannien musste sich den Wünschen fremder Mächte beugen.
Die Suezkrise stellt in vielerlei Hinsicht das Ende des imperialen Großbritannien dar. Die NATO mit den Vereinigten Staaten als stärkstem Mitglied wurde zur wichtigsten Militärallianz der westlichen Welt. Australien und Neuseeland schlossen ihren eigenen Beistandspakt mit den USA ab, das Vereinigte Königreich hatte als wichtigster strategischer Partner ausgedient.
Zumindest aus ökonomischer Sicht waren die britischen Hoffnungen gegenüber dem Commonwealth nicht ganz unbegründet. Während die weißen Kolonien eine Industrialisierung wie im Mutterland angestoßen hatten, diente der Rest als Quelle von Rohstoffen, landwirtschaftlichen Erzeugnissen und als Absatzmarkt. Das Empire hatte einen großen, entwickelten Wirtschaftskreislauf mit gegenseitigen Abhängigkeiten hinterlassen.
Doch wieder wendeten sich die ehemaligen Kolonien den neuen Supermächten zu, anstatt den Austausch im Commonwealth zu kultivieren. Und für Großbritannien wurde der Handel mit dem Europäischen Festland immer wichtiger. Folgerichtig bemühte sich das Vereinigte Königreich ab den 1960er Jahren um eine Mitgliedschaft in der EWG, die nach einem Wechsel in der französischen Staatsführung bewilligt wurde. Durch NATO und EWG war Großbritannien stärker mit dem Kontinent verbunden als mit seinen ehemaligen Kolonien.
Heute ist das Commonwealth of Nations immer noch ein Staatenbund, deren Mitglieder durch gemeinsame Geschichte, Werte und eine geteilte Kultur miteinander verbunden sind. Es gibt einen verstärkten Austausch zwischen Museen, Schulen und Universitäten, sowie gemeinsame Sportwettbewerbe. Ähnlich den olympischen Spielen finden alle vier Jahre die Commonwealth Games statt. Es nehmen bis zu 5.000 Athleten teil. Der Staatenbund ist vor allem für die kleineren Nationen wichtig, denen die regelmäßigen Treffen auf verschiedenen Ebenen ein Sprachrohr geben und einen Austausch ermöglichen. Das Commonwealth ist ein wunderbares Instrument zur Völkerverständigung. Eine wirtschaftliche oder gar militärische Macht stellt der Bund dagegen nicht dar.
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