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AutorenbildAndreas Eich

Alles hat einen Anfang...

Aktualisiert: 6. Aug. 2023

...natürlich auch mein Buch. In der Einleitung erfahrt ihr, warum es mich überhaupt nach Großbritannien verschlagen hat. Außerdem gibt es weitere Details zum Inhalt.



Das Leben hält manchmal merkwürdige Pfade bereit. Vor ein paar Jahren hatte ich die Ehre als Trauzeuge auf einer Hochzeit agieren zu dürfen. Auf der Feier begegnete mir eine ganz besondere Frau, die ich genauer kennenlernen wollte. Noch besser: das Interesse beruhte auf Gegenseitigkeit. Einziges Problem: Ich war Deutscher und lebte eben dort, die Frau Britin und wohnte in England.

Zum Glück gab es das Internet und soziale Netzwerke. Über Wochen tauschten wir uns per Chat und Video aus, dann besuchten wir uns, und kurze Zeit später steckten wir in einer ernsthaften Beziehung. Die geografische Distanz zwischen uns war nicht schön, aber zunächst ein geringeres Problem als sie vielleicht denken. Durch unsere Berufe hatten wir beide kaum Zeit für ein Privatleben. Ich arbeitete als Physiker an meiner Doktorarbeit und war rund um die Uhr in Laboren beschäftigt. Meine Freundin war angehende Ärztin und schob 12-Stunden-Schichten in Krankenhäusern, gerne auch nachts.

OK, optimal war die Situation nicht. Und ich will nicht verschweigen, dass wir uns zwischendurch mal getrennt hatten. Doch ohne den anderen ging es nicht, und wir fanden wieder zusammen. Dummerweise hatte ich inzwischen eine Stelle an einer Universität in den Niederlanden, und sie die nächste Stufe ihrer Facharztausbildung begonnen.

Einige Zeit mussten wir noch in einer Fernbeziehung leben, aber dann wollten wir zusammenziehen und eine Familie gründen. Überzeugt wie wir von uns waren, und aus rein praktischen Gründen, heirateten wir bevor wir überhaupt im gleichen Land, geschweige denn der gleichen Stadt oder gar Wohnung gelebt hatten.

Die einzige feste Größe unserer Zukunftsplanung war der jeweilige Partner. Wo wir leben und welche Karrieren wir verfolgen wollten, stand hinten an. Ohnehin waren wir beide offen für Veränderungen. Die Arbeit als Forscher gefiel mir zwar ungemein. Aber ein wenig mehr Konstanz im Leben konnte nicht schaden. Schon vor meiner Uni-Zeit gehörten Umzüge zu meinem Leben. In Deutschland fehlte mir nur ein Wohnort im Süden, um alle Himmelsrichtungen abdecken zu können. Und die Arbeit sollte nicht mehr all meine Kräfte konsumieren. 60-Stunden-Wochen sollten eher zur Ausnahme als zur Regel gehören, ebenso wie Nachtschichten oder Wochenendsessions. Kurz gesagt, auch beruflich wollte ich einen Neuanfang wagen, in welchem Land auch immer.

Bei meiner Frau sah es ähnlich aus. Je mehr sie in die Tiefen des englischen Gesundheitswesens eintauchte, desto größer wurden ihre Zweifel an diesem System. Als Ärztin wollte sie zwar weiterhin arbeiten, aber in Großbritannien?!

Anfang 2019 zog ich zu ihr nach London. Nicht, weil wir uns dazu entschlossen hatten auf der Insel zu leben, sondern aus dem simplen Grund, dass mein Vertrag ein paar Monate vor dem Ende ihrer Ausbildung auslief.

So fand ich mich in einer spannenden Situation wieder. Die nächsten Monate wollten wir die Zweisamkeit genießen. Ich konnte mich ein wenig ausruhen und meine Freizeit auskosten. Und schließlich wollten wir unsere gemeinsame Zukunft planen. Wie würde sich etwa ein mögliches Leben in Großbritannien gestalten? In welchen Jobs könnte ich arbeiten? Wie sah die Situation im Vergleich zu Deutschland und anderen Ländern aus? Würden sich die Umstände durch den nahenden Brexit verändern? Mit großem Eifer stürzte ich mich auf die vielen Fragen.

Zum Eifer gesellte sich bald Ernüchterung. Großbritannien ist ein kaputtes Land. Vielen Menschen, vor allem jungen, geht es schlecht, dem Staat noch schlechter. Die Bürger haben mit beständig steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen. Britische Politiker sind weltfremd und inkompetent. Weder kennen sie die Sorgen und Nöte der Bürger, noch verfügen sie über funktionierende Ansätze zu deren Lösung. Auch sonst fällt es schwer qualifiziertes Personal zu finden, das Bildungsniveau nimmt von Jahr zu Jahr ab. So ist Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Ich habe sogar Zweifel, dass das Vereinigte Königreich wie wir es kennen, in 20 Jahren noch existiert. Nicht nur, weil manche Schotten und Nordiren mit einem Verlassen der Union liebäugeln, sondern weil staatliche Strukturen, die Kontrolle über das eigene Land und gar die Gesellschaft im Allgemeinen ernsthaft in Gefahr sind. (Welche Ironie nach dem EU-Austritt.)

Jetzt werden sie lachen. Steigende Lebenshaltungskosten? Sinkendes Bildungsniveau? Inkompetente Politiker? Haben wir auch in der Bundesrepublik! Mal den Teufel nicht an die Wand. Aber so einfach ist es nicht. Ja, in den 2010er Jahren sind etwa deutsche Immobilienpreise und Mieten enorm gestiegen. Es fällt immer schwerer den Traum vom Eigenheim zu erfüllen, die Miete zu bezahlen oder in der gewünschten Nachbarschaft zu wohnen.

Das ist keine gute Entwicklung und gehört so schnell wie möglich gestoppt. Oder wollen sie in einem Land leben in dem die Immobilienpreise nicht 10, sondern gar 30 oder 40 Jahre mit einer derartigen Rate angestiegen sind? Was glauben sie, wie sehr sie sich einschränken müssten, um überhaupt noch eine bescheidene Bleibe finanzieren zu können?

Nehmen sie sich ruhig ein wenig Zeit, um über die Fragen zu reflektieren... Wie lebensnotwendig sind die schönen Urlaube… oder ihre Möbel? Haben sie bedacht, dass Immobilienpreise indirekt andere Posten verteuern?

Zum Glück nur ein Gedankenexperiment, nicht wahr?! Für die Briten ist es harte Realität. Im Vereinigten Königreich stiegen die Preise für Wohnraum in den letzten 50 Jahren mit einer Rate an, die noch einen ticken höher war als bei uns in den letzten 10.

Ähnliches ließe sich über andere Punkte sagen. Ja, in Deutschland mag man sich zurecht über viele Politiker beschweren, doch die Inkompetenz der britischen Vertreter erreicht einen vollkommen anderen Level. Der Bildungsnotstand ist größer, die Infrastruktur maroder, und und und. Deutschland mag mit ähnlichen Entwicklungen wie Großbritannien zu kämpfen haben, doch die Welt ist nicht schwarzweiß, sondern eine Abstufung von vielen Grautönen. Und auf der Insel sind die in fast jeder Hinsicht dunkler.

Falls sie Zweifel haben, kein Problem. Das kenne ich. Als ich meinen deutschen Freunden von den Zuständen auf der Insel erzählte, lachten sie mich aus. Wie wenig meinst du, verdienen zu können? Wie teuer ist eure Wohnung? Junge, du suchst nach den falschen Jobs, eure Vermieter ziehen euch über den Tisch. Und überhaupt, bei uns funktioniert ebenfalls nicht alles.

Ehrlich gesagt, vor meinem Umzug hätte ich selbst an meinen Aussagen Zweifel gehabt. Ich hatte die Insel mehrere Dutzend Mal besucht. Als eine Gesellschaft, die sich langsam, aber sicher ihrem Ende entgegenwurstelt, war sie mir nicht aufgefallen. Aber ich war eben nur zu Besuch. Abgesehen von verschiedenen Flughäfen, einigen Zügen, der Wohnung meiner Frau und ein paar Museen hatte ich nicht viel vom Land gesehen. Kurz gesagt, meine Vorstellung von Großbritannien speiste sich zu einem Großteil auf Annahmen basierend auf meinen Erfahrungen daheim.

Doch mit der Zeit ersetzte ich Vorstellungen durch Erlebnisse, Zahlen und Fakten. Mein Bild wandelte sich. Mit meinen Recherchen überzeugte ich letztendlich auch meine Freunde. Und jetzt sind sie dran.

Im ersten Teil meines Buches beschäftige ich mich mit dem alltäglichen Leben. Ich nehme sie mit auf eine kleine Tour durch unser Viertel, durch London und das ganze Land. Ich erzähle ihnen von meiner Jobsuche, möglichen Gehältern und was die für unsere Familienplanung bedeuten würden, Stichwort Lebenshaltungskosten.

Bei den Zuständen wundert es nicht, dass viele Briten Veränderungen anstreben. Einer der Gründe für das Ergebnis des Brexit-Referendums. Im zweiten Teil beschäftige ich mich kurz mit dessen Hintergründen, warum viele Briten der EU kritisch gegenüberstehen oder sie für ihre Probleme verantwortlich machten. Vor allem geht es jedoch um britische Weltanschauung und Selbstwahrnehmung, sowie den Folgen für die Gesellschaft.

Dazu gibt es einen Abstecher in das britische Gesundheitssystem. Kein Thema treibt die Gemüter hierzulande so sehr um wie der Zustand des National Health Service (NHS), keines beschreibt die Missstände im Land besser.

Die Probleme Großbritanniens haben weniger mit der EU als mit der eigenen Führung zu tun. Mit der beschäftige ich mich im dritten Teil. Lassen sich die Probleme alleine bei den handelnden Personen verorten oder im politischen System? Kleiner Spoiler: Es liegt an beidem, wie ein Blick auf die Brexit-Verhandlungen zeigt.

An dieser Stelle hätte mein Buch enden können. Ich hätte ein kleines Fazit gezogen und einen Ausblick auf die Zukunft des Landes gewagt. Wie gesagt, ein Happy End sehe ich eher nicht. Dann hätten sie das Buch weggelegt, vielleicht mit einem Lächeln, denn unterhaltsam war es ja, schön viel deutsches Gemecker und Radau. Aber wären sie von meinen Schlussfolgerungen überzeugt gewesen?!

Ich hätte weiterhin kein Problem damit gehabt, wenn nicht. Ich bin weder Ökonom, Soziologe, Historiker oder Politikwissenschaftler. Die Missstände, welche ich anspreche, gehören nicht zu meinem Fachgebiet. Vielleicht bin ich als Naturwissenschaftler geübt darin zu beobachten und Probleme zu identifizieren. Vielleicht habe ich durch meine Stationen in verschiedenen Ländern einen reichen Erfahrungsschatz, um den Alltag vergleichen zu können. Doch ansonsten bin ich ein einfacher Bürger, der mit ein wenig Schulbildung und Recherche versuchte seine neue Heimat zu verstehen.

Außerdem war es mir aufgrund der Fülle der angesprochenen Punkte nicht möglich, jeden in all seinen Details zu ergründen, geschweige denn hier darzustellen. Alleine das Thema Mieten würde dickere Wälzer als das vorliegende Buch füllen. Meine Einschätzung und Darstellung sind trotz aller Mühen um Erkenntnis subjektiv und lückenhaft. Dazu ist mir bestimmt der ein oder andere Fehler unterlaufen.

Trotzdem meine ich, nicht falsch zu liegen. Die Missstände der britischen Gesellschaft verbergen sich nicht in Details, sie springen einen geradezu an. Und die geringen Anstrengungen zu ihrer Behebung sind so fehlgeleitet und dilettantisch ausgeführt, dass sie die Probleme eher verschlimmern.

Nun könnten sie erwidern… Schluss mit der Herumeierei. Dann kam die Pandemie. Im vierten Teil berichte ich von unseren Erlebnissen während der Corona-Jahre. Wieder war die Welt nicht schwarz oder weiß, das britische Impfprogramm konnte durchaus als Vorbild dienen, doch insgesamt sah ich mein Bild einer dysfunktionalen Gesellschaft betätigt. Schlimmer noch, das Virus hat die Probleme des Landes verschärft: Die Politik versank in Chaos, die Staatsfinanzen, wie viele Bürger, in Schulden. Die Infrastruktur ist in einem schlimmeren Zustand denn je. Das Gesundheitssystems lässt sich nur mit „im Zusammenbruch“ beschreiben.

Im Grunde bleibt nur die Hoffnung, der Brexit wird das Land von allen Sorgen und Nöten erlösen… Mit anderen Worten: Es wurde höchste Zeit die Insel zu verlassen. Viel Spaß bei der Lektüre.


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